„Bürgerrat“ in Oberhausen
Von 15 zufällig ausgewählten Bürgern will sich Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz beraten lassen.
Mit einem neuen bisher in Oberhausen einzigartigen Gremium will Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) dafür sorgen, dass normale Bürger besser in Entscheidungen der Stadt eingebunden werden als bisher. Zur Gründung des von ihm „Bürgerrat“ getauften Gremiums ruft das seit Oktober 2015 amtierende Stadtoberhaupt nun alle Oberhausener auf, sich für eine Teilnahme zu bewerben. „Ich will das Ohr möglichst nah an den Bürgern haben, dabei soll mir der Bürgerrat helfen“, sagt der OB.
Schranz sucht 15 Bürger, die mit ihm mindestens vier Mal im Jahr abends für jeweils zwei Stunden die Lage in der Stadt besprechen wollen. Die Teilnehmer werden aus der Zahl an „hoffentlich vielen“ (Schranz) Bewerbungen vom Statistikamt ausgelost, dabei werden drei Kriterien besonders beachtet: Geschlecht, Alter, Zuwanderungsgeschichte. Partei, Stadtteilzugehörigkeit oder eigene persönliche Vorlieben spielen nach Angaben des früheren CDU-Oppositionsführers keine Rolle.
„Ich möchte mit dem Bürgerrat neben meinen normalen Kontakten zu Bürgern die Themen tiefer diskutieren, dabei ist Kritik nicht nur geduldet, sondern erwünscht. Denn sie ist keine Bedrohung, sondern eine Chance, es besser zu machen“, sagte Schranz. Das Gremium solle keine andere Bürgerbeteiligung ersetzen. Er hält solch eine frühzeitige Bürgereinbindung aber für wichtig, um Großprojekte verhindernde „Wutbürger“-schaft erst gar nicht aufkommen zu lassen. Bis auf Mitglieder der Bezirksvertretungen, des Rates und Rathaus-Mitarbeitern dürfen sich alle Oberhausener ab 16 Jahren bewerben. Dies kann ab sofort auf www.oberhausen.de geschehen – oder mit den in den Rathäusern liegenden Bewerbungsbögen.
Nachtrag 28.5.2016:
Der von Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) angeregte neue 15-köpfige Bürgerrat stößt auf eine unerwartet hohe Resonanz: Bisher trudelten über 430 Bewerbungen ins Rathaus ein.
Nach Angaben der Rathausspitze wurden damit selbst die „kühnsten Erwartungen“ im internen Kreis übertroffen. Die Bewerbungsaktion läuft bis zum 10. Juni. Jeder Oberhausener ab 16 Jahren kann sich noch bewerben. Die Teilnehmer werden unter Berücksichtigung von drei Kriterien (Geschlecht, Alter, Zuwanderungsgeschichte) vom Statistikamt ausgelost.
Nachtrag 6.9.2016:
Der Bürgerrat nahm am 5. Juli 2016 seine Arbeit auf.
(Die Mitglieder) kommen aus verschiedenen Stadtteilen, die Frauen und Männer sind unterschiedlichen Alters und haben zum Teil Migrationshintergrund. Die Auswahl erfolgte nach diesen Kriterien, um die Stadtgesellschaft möglichst gut abzubilden: 15 an der Zahl sind es, Oberhausener, die sich im Bürgerrat versammeln, um Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) zu aktuellen politischen Fragen zu beraten. Er selbst will dadurch näher am Puls der Zeit sein – dem Volk aufs Maul schauen. „Der Bürgerrat ist für mich ein Instrument, um genau diese Nähe herzustellen. Das interessante am Bürgerrat ist, dass man dort Menschen versammelt, die repräsentativ der Stadtgesellschaft entsprechen“, so Oberbürgermeister Daniel Schranz.
Marvin Nick (24) aus Styrum hat gerade eine Ausbildung als Speditionskaufmann in Duisburg angefangen. Er pendelt von Oberhausen dorthin, dafür lebt er viel zu gern in seiner Stadt. Sieht aber Handlungsbedarf: „Noch kann man Oberhausen retten. Die Frage ist: Wie lange noch?“
Fee Thissen, 34 Jahre alt, Architektin und Stadtforscherin. In ihrem Projekt an der RWTH Aachen befasst sich die Schmachtendorferin mit dem Thema Bürgerbeteiligung. Sie kann mit den theoretischen Grundlagen helfen, „in den praktischen Prozess einzusteigen“.
Anica Berger, 53 Jahre alt, lebt in Osterfeld, geboren ist die Altenpflegerin im ehemaligen Jugoslawien. Mit 20 Jahren ist sie nach Deutschland gekommen, um Geologie zu studieren. Das hat nicht geklappt, sie ist aber trotzdem hier geblieben, in Oberhausen. „Wenn ich könnte, dann würde ich dies und jenes ändern. Mein Mann sagt mir dann: ‘Geh doch in die Politik‘. Den Aufruf, sich für den Bürgerrat zu bewerben, hab’ ich in der NRZ gelesen und sofort den Laptop aufgeklappt.“
Am 5. Juli kamen diese drei und zwölf weitere Mitglieder des Bürgerrats im Standesamt im Schloss Oberhausen zusammen: „Es gab einen Austausch, was der OB, aber auch die Bürger, also wir, von der Arbeit erwarten“, sagt Azubi Nick. „Es war schön, eine gute Atmosphäre, um sich zu beschnuppern“, sagt Altenpflegerin Anica Berger. Oberbürgermeister Daniel Schranz habe erläutert, was er von der Zusammenarbeit erwarte: Eine Art Frühwarnsystem. „Die Themen, die die Bürger beschäftigen, kämen verzögert im Rat an“, erinnert sich Fee Thissen an die Worte des Bürgermeisters.
Themen sammelten die Bürger selbst. Bei der nächsten Sitzung am 20. September stehen Integration und die Flüchtlingsthematik auf der Tagesordnung. Kleine Impulsreferate von den Mitgliedern des Bürgerrats bilden die Grundlage für die Sitzung. Weitere Themenbereiche stehen schon fest – Soziales, Pflege, Gesundheit, Infrastruktur, die Entwicklung der Innenstadt.„Außer der Neuen Mitte gibt es wenig für junge Menschen“, sagt Marvin Nick. Eine Hochschule könne helfen, Jüngere in der Stadt zu halten. Wie er bedauert auch Fee Thissen die Entscheidung, dass die Straßenbahnlinie 105 nicht verlängert wird. Aber entscheiden kann der Bürgerrat selbst nicht. „Wir können Sprachrohr sein. Die Stimmung in der Stadt, durch Freunde und Bekannte aufnehmen“, sagt Thissen, aber „bestimmte Themen brauchen Fachkompetenz.“ Es sei wichtig, „dass man den Leuten eine Stimme gibt.“
„Ich lebe hier, und lebe wach, mit meinen Mitmenschen, mit meinem Umfeld und meiner Stadt“, sagt Anica Berger. „ich möchte nicht nur hier wohnen.“ Der Bürgerrat helfe, Bürgernähe zu schaffen, indem die Politik „ein Ohr hat für die Bürger“, so Berger.