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Bürgerbefragung statt Ratsbürgerentscheid

Soll es in Wuppertal eine Seilbahn vom Hauptbahnhof auf die Südhöhen der Stadt geben? Diese Frage will der Rat mithilfe einer Befragung klären, die sich an die Regeln eines Bürgerentscheids anlehnt.

Seit längerem wird in Wuppertal über den Bau einer Seilbahn vom Hauptbahnhof auf die Südhöhen der Stadt diskutiert. Jetzt hat der Rat der Stadt auf Antrag von CDU, Grünen, FDP, Linken und AfW beschlossen, dazu das Votum der Bürger in Form einer schriftlichen Vollerhebung per Briefwahl einzuholen. Am Tag der Europawahl soll folgende Frage zur Abstimmung stehen: „Sind Sie für den Bau einer Seilbahn vom Döppersberg über die Universität bis zum Küllenhahn?“ Die Befragung zu dem 90 Millionen Euro teuren Seilbahn-Projekt wird ca. 250.000 Euro kosten. Sie läuft organisatorisch ähnlich ab wie ein Bürgerentscheid, ist aber für den Rat nicht bindend – die Ratsmehrheit will sich dennoch an das Ergebnis halten.

Ein Ratsbürgerentscheid nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung wäre nicht zulässig – so die Stellungnahme der Bezirksregierung Düsseldorf:

Die Umsetzung des Projektes erfordert nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Seilbahnen in Nordrhein-Westfalen (SeilbG NRW) die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens; damit ist der Negativ­katalog der Vorschrift aus § 26 Abs. 5 Nr. 4 GO NRW zu prüfen. (…) Indes spricht eine enge, am Wortlaut orientierte Auslegung des Ausschlusskatalogs von § 26 Abs.5 GO NRW gegen die Zulässigkeit eines Ratsbürgerentscheids bei dem in Rede stehenden Projekt.
(…)
Unabhängig von der Frage, ob ein Ratsbürgerentscheid in der vorliegenden Angelegenheit zulässig wäre, hat der Rat im Rahmen seiner politischen Positionsfindung die Möglichkeit, das breite Meinungsbild der Bürgerschaft einzuholen, wobei die nähere Ausgestaltung in eigener Verantwortung festzulegen wäre. Darin erkenne ich keine Gefahr der unzulässigen Verkürzung einer Planungsentscheidung oder eine unzulässige Umgehung des Negativ­Katalogs der Vorschrift aus § 26 Abs. 5 Nr. 4 GO. Der Rat kann diese Befragung mit einer politischen Positionierung verknüpfen.

Quellen:
https://www.blickfeld-wuppertal.de/wp-content/bf-uploads/2019/02/VO_0172_19_Gemeinsamer_Antrag_Rat.pdf
https://ris.wuppertal.de/getfile.php?id=232012&type=do
https://www.wz.de/nrw/wuppertal/buergerbefragung-zur-seilbahn-kostet-250-000-euro_aid-36986583
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/seilbahn-wuppertal-buergerentscheid-100.html


Der Redakteur der örtlichen Tageszeitung nennt das Vorgehen ein „Stück aus dem Kuriositätenkabinett“ und wirft den antragstellenden Fraktionen vor, sie würden „die politische Arbeit verweigern“.

Wer nämlich die Bürger danach fragt, was sie von einer Seilbahn halten, der wird nachher im Stadtrat wohl kaum gegen den Willen der Mehrheit entscheiden. Schließlich ist im Herbst 2020 wieder eine Kommunalwahl. Da geht es um viel. Vor allem um Sitze und Posten. Also wird eine schwerwiegende Entscheidung in die Hände von Bürgern gelegt, die dass, worum es geht, schon mangels fundierte Informationen nur schwer beurteilen können. Daran wird auch ein Flugbättchen nichts ändern, das mit den Wahlunterlagen verschickt werden soll. (…)
Der Stadtrat kann und darf sich der Entscheidung über eine Seilbahn nicht entziehen, die den Menschen in der Südstadt so nahe kommt, während sie den Wuppertaler Studenten nutzt und womöglich vielen, die weiter weg wohnen, wie eine touristische Attraktion vorkommen mag. Wo die Interessen so sehr widerstreiten, sind gewählte Parlamentarier aufgefordert, Stellung zu beziehen und ihre Entscheidung auf vor denen zu vertreten, die darunter zu leiden haben. Wer das nicht macht, der macht sich aus dem Staub.

Quelle: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/neues-aus-absurdistan_aid-36962217

Der Vorsitzende SPD-Fraktion spricht „von einer traurigen Stunde der repräsentativen Demokratie“:

(Er betonte, dass) der Stadtrat zu diesem Zeitpunkt in der Pflicht stehe. Es werde nicht darüber entschieden, ob die Seilbahn gebaut werde oder nicht, sondern es werde über die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens entschieden, in dem erst wesentliche Erkenntnisse über das Projekt erarbeitet würden. Es gibt keinen Grund, sich vor der Verantwortung zu drücken.

Quelle: https://www.wz.de/nrw/wuppertal/seilbahn-in-wuppertal-rat-beschliesst-buergerbefragung_aid-37017891

Der Rektor der Universität hält die Befragung für entbehrlich:

Da bereits ein aufwendiges und teures Bürgerbeteiligungsverfahren von auswärtigen Profis durchgeführt wurde, könnte sich der Rat eigentlich auf dessen Ergebnisse verlassen und nun ohne eine noch teurere Vollerhebung mutig entscheiden.

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) bedauert, dass sich nur die in Wuppertal gemeldeten knapp 8.200 von insgesamt rund 22.000 Studierenden an der Befragung beteiligen dürfen:

(Der) AStA-Referent für Hochschulpolitik, hält „es für unverantwortlich und schädlich, wenn (…) Studierenden bei dieser richtungsweisenden Entscheidung die Stimme entzogen würde.“ Da diese „maßgeblich von der Entscheidung betroffen wären“, fordert der AStA „eine Abstimmung, die neben den Wuppertaler BürgerInnen auch noch die Studierendenschaft einbezieht.“

Quellen: https://www.blickfeld-wuppertal.de/imtal/seilbahn-buergerbefragung-ohne-14-000-studierende