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Beteiligungsgesetz, Bürgerräte, Beteiligungsbeauftragte, „Büro für Beteiligung“

Zahlreiche Maßnahmen zur Verstetigung der Bürgerbeteiligung auf Bundesebene fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in einem Antrag an den Deutschen Bundestag. Dazu gehören unter anderem ein Beteiligungsgesetz, mit dem Bürgerräte gesetzlich verankert werden, eine Art Beteiligungsbeauftragte auf Bundesebene, ein Online-Beteiligungsportal und spezielle Maßnahmen für Kinder-und Jugendbeteiligung. Außerdem fordern die GRÜNEN ein „Büro für Beteiligung“ beim Deutschen Bundestag, das als neutrale Stelle die Planung, Durchführung und Evaluation von Bürger*innenräten und anderen Beteiligungsformaten übernehmen soll.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. ein „Beteiligungsgesetz“ als Grundlage für Bürger*innenbeteiligung auf Bundesebene zu schaffen und darin folgende Punkte zu berücksichtigen:
a. Die Einrichtung von zufallsgelosten, bundesweiten Bürger*innenräten zur Konsultation bei Gesetzgebungsprozessen und Entscheidungsfindung wird gesetzlich verankert;
b. die Einberufung von Bürger*innenräten kann durch die Bundesregierung oder den Deutschen Bundestag erfolgen, perspektivisch ist zu prüfen, welche Verfahren geeignet sind, eine Beantragung auch durch Bürger*innen zu ermöglichen;
c. Bürger*innenräte werden auf Grundlage einer geschichteten Zufallsauswahl gelost, die sicherstellt, dass das geloste Gremium in zentralen soziodemografischen und sozioökonomischen Merkmalen im Wesentlichen dem Durchschnitt der Bundesbevölkerung entspricht;
d. Bürger*innenräte sollen die Vielfalt der Gesellschaft abbilden, daher erfolgt eine Teilnehmendenauswahl, die allen in Deutschland lebenden Menschen zugänglich ist. Unterrepräsentation soll gezielt entgegengewirkt werden. Die Berücksichtigung der Interessen von betroffenen Minderheiten ist dabei sicherzustellen;
e. jedem Bürger*innenrat wird ein wissenschaftliches Expertengremium und ein zivilgesellschaftliches Kuratorium zur Beratung beigeordnet;
f. jeder Bürger*innenrat wird durch den Bundestag medial begleitet und die Diskussion der Ergebnisse findet in einem öffentlichen Rahmen statt;
g. für jeden Bürger*innenrat wird die Möglichkeit eröffnet, diesen auch als Online-Veranstaltung stattfinden zu lassen;
h. jeder Bürger*innenrat muss es Menschen mit Behinderung oder sonstigen Beeinträchtigungen ermöglichen, daran teilzunehmen und die entsprechende Technik z. B. zur barrierefreien Teilnahme in ausreichendem Maß vorrätig zu haben;
i. es wird gesetzlich verankert, dass die Regierung und das Parlament sich nach Vorliegen der Empfehlungen eines Bürger*innenrats in einer angemessenen Frist damit befassen, warum sie Vorschläge aufgreifen oder hierauf verzichten;
2. eine verantwortliche Position innerhalb der Bundesregierung zu schaffen, die für Bürgerschaftliches Engagement, Demokratie, Partizipation und Zivilgesellschaft zuständig ist und die Bedeutung dieser wichtigen Themen herausstellt und Sichtbarkeit erhöht;
3. ein Online-Beteiligungsportal, z. B. nach dem Vorbild von Baden-Württemberg einzurichten,
a. das leicht auffindbar, bedienbar, verständlich, barrierefrei sowie sicher ist;
b. auf dem künftig Gesetzentwürfe mit ausreichend Zeit vor Verabschiedung durch den Deutschen Bundestag von Bürger*innen kommentiert werden können;
c. auf dem der Fortschritt und aktuelle Stand von Gesetzentwürfen online nachvollziehbar wird;
d. bei dem die Bundesregierung zur erfolgten Online-Beteiligung Stellung nehmen muss;
4. im Rahmen eines Nationalen Aktionsplans für Kinder- und Jugendbeteiligung konkrete institutionalisierte Beteiligungsstrukturen für die bundespolitische Ebene gemeinsam mit Expertinnen und Experten sowie Jugendverbänden und Jugendringen zu entwickeln und zu implementieren;
5. ein Demokratiefördergesetz vorzulegen, um damit eine langfristige Rechtsgrundlage für die Förderung zivilgesellschaftlicher Arbeit zur Demokratiestärkung, gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Diskriminierung und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu schaffen und als staatliche Daueraufgabe des Bundes festzuschreiben (siehe hierzu auch den Antrag auf BT-Drs. 19/20166);
6. unverzüglich ein verpflichtendes Lobbyregister für die Legislative und Exekutive einzuführen und darin insbesondere auch eine Regelung zur transparenten Nachvollziehbarkeit von Einflussnahmen durch Lobbys im Gesetzgebungsprogress („legislativer Fußabdruck“) festzuschreiben (siehe hier auch den Antrag auf BT-Drs. 19/836);
7. Bürgerschaftliches Engagement in der Breite und verlässlicher zu fördern und dafür eine breit angelegte „Engagementoffensive“ aufzusetzen sowie die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt zur Förderstiftung auszurichten (siehe auch den Antrag auf BT-Drs. 19/10223);
8. Eine dauerhafte und rechtssichere gesetzliche Grundlage für digitale Beteiligung im Planungsrecht zu schaffen und hierfür die im Plansicherstellungsgesetz (PlanSiG) eingebauten Beteiligungshürden abzubauen (siehe auch Entschließungsantrag BT-Drs. 19/26982);
9. Die Bürgerbeteiligung im Baugesetzbuch zu stärken und von einer Wiedereinführung des bürger*innenbeteiligungsfeindlichen § 13 b in das Baugesetzbuch abzusehen;
10. Bürger*innen- und Öffentlichkeitsbeteiligung vorbildlich und rechtzeitig beim Bau von Bundesbauten umzusetzen.
III. Der Deutsche Bundestag möge beschließen:
ähnlich dem Büro für Technikfolgenabschätzung (TAB) ein „Büro für Beteiligung“ beim Deutschen Bundestag einzurichten, das damit beauftragt wird, in Zukunft als neutrale Stelle die Planung, Durchführung und Evaluation von Bürger*innenräten und anderen Beteiligungsformaten zu übernehmen sowie die Wirkungsmessung daraus entstandener Bürger*innenempfehlungen zu verantworten.

Hier der Antrag im Wortlaut: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/278/1927879.pdf