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Weniger Eingaben an den Petitionsausschuss des Bundestages wegen privater Petitionsplattformen

11.236 Petitionen erreichten den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages im Jahr 2016. Das sind 1.901 weniger als im Vorjahr. (Quelle: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/120/1812000.pdf) Über die Ursachen dieser Entwicklung und was dagegen zu tun ist, diskutierten die Mitglieder des Ausschusses mit Experten.

Andreas Kugler, stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, sagte, der Rückgang der Petitionen – von dem auch das Land Berlin betroffen sei – habe auch mit der Konkurrenz privater Plattformen zu tun. Es seien insbesondere Fragen des Datenschutzes, die bei privaten Anbietern eine eher untergeordnete Rolle spielen würden und die eine Zusammenarbeit schwierig machten, sagte der SPD-Politiker. „Als Parlament haben wir ein paar Prinzipien, die unverhandelbar sind.“ Zugleich machte Kugler deutlich, dass der Petitionsausschuss des Bundestages „unangenehme Themen“ nicht versenken dürfe. „Das Zurückhalten von solchen Themen führt zu Verdrossenheit.“
Die strikte Trennung zwischen der Petitionsplattform des Bundestages und den privaten Plattformen sollte beibehalten werden, forderte Dr. Markus Linden vom Forschungszentrum Europa an der Universität Trier. „Auf ein Hase-und-Igel-Rennen sollte sich das Parlament nicht einlassen“, sagte er und warb dafür, dem Rückgang der Eingabezahlen mit Gelassenheit gegenüberzutreten. Private Plattformen, so seine Einschätzung, weckten Erwartungen, denen sie nicht gerecht werden könnten. Linden sprach sich zudem gegen eine Senkung des für die öffentliche Behandlung von Petitionen benötigten Quorums von 50.000 Unterstützern innerhalb von vier Wochen aus. Stattdessen sollten Petitionen bei Erreichen eines deutlich höheren Quorums als 50.000 im Plenum des Bundestages beraten werden. Die Bürger hätten so die Möglichkeit, Themen zu setzen.
Christian Scherg, Geschäftsführer der Revolvermänner GmbH, einer Agentur für Reputationsmanagement, sagte, private Petitionsplattformen suggerierten, dass die Themen bei genügend Unterstützern auch in den politischen Prozess eingebracht würden, „was ganz oft falsch ist“. Diese Plattformen funktionierten über Reichweite und bedienten sich – anders als die Plattform des Bundestages – einer einfachen Sprache. Zudem seien bei ihnen so gut wie alle Themen zulässig. Hintergrund des Erfolgs dieser Plattformen sei das ausgeprägte Interesse der Menschen an einem Diskurs. Scherg forderte dazu auf, das Bedürfnis nach Reichweite und Diskussion ernst zu nehmen. Dem Bundestag müsse es gelingen, eine Petitionscommunity aufzubauen, „damit nicht auf andere Plattformen abgewandert wird“. Dazu kann seiner Ansicht nach die Auslagerung der Petitionsseite „verbunden mit einem neuen Image“ beitragen.
Die Petitionsplattform des Bundestages und die privaten Plattformen unterscheide das Partizipationsverständnis, sagte Dr. Andreas Jungherr von der Universität Konstanz. Gehe es beim Bundestag zumeist um konkrete Anliegen, die vom Parlament bearbeitet werden sollen, gehe es den Nutzern privater Plattformen oftmals weniger um eine Lösung oder Umsetzung als vielmehr darum, auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Wolle der Bundestag also die Zahl der Petenten erhöhen, müsse das Partizipationsverständnis erweitert werden. Nutzer müssten dazu besser in die Plattform eingebunden werden, sagte Jungherr. Außerdem sollten die Möglichkeiten der Petenten, sich selbst darzustellen, erweitert und eine Suchmaschinenoptimierung vorgenommen werden.

Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw22-pa-petitionen/508176