Verpflichtende Bürgerentscheide bei jedem größeren Bauvorhaben?
Zur Schaffung von Akzeptanz für neue Wohngebiete fordert Jochen Möbert von der Research-Abteilung der Deutschen Bank verpflichtende Bürgerentscheide bei jedem größeren Bauvorhaben.
Die Zahl der neu gebauten Wohnungen im Jahr 2015 stagnierte nahezu. Den rund 250.000 fertiggestellten Wohnungen steht eine geschätzte Nachfrage von 400.000 oder gar 500.000 Wohnungen pro Jahr gegenüber. Zusammen mit dem Nachfrageüberhang der letzten Jahre fehlen vermutlich deutlich mehr als eine halbe Million Wohnungen. Da auch in den nächsten Jahren die Zahl der Fertigstellungen nur allmählich steigen dürfte, verschärft sich der Wohnraummangel weiter. (..)
Was ist die richtige Medizin?
Erstens müssen neue Stadtteile entstehen auch über die bisherigen Stadtgrenzen hinaus. Die bisherige Strategie, auf Nachverdichtung und Konversion zu setzen, ist zu kurz gesprungen.
Zweitens, die Infrastruktur, insbesondere die Anbindung an die Ballungszentren und Großstädte muss verbessert werden, um die Wohnungsnachfrage auf große Regionen zu verteilen.
Drittens, eine schnelle und effektive Umsetzung solcher großen Bauvorhaben kann nur mit den Bürgern und nicht gegen die Bürger umgesetzt werden. Die Bundes- und Landesregierungen könnten die sowieso rege Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben kanalisieren. Mit verpflichtenden Bürgerentscheiden bei jedem größeren Bauvorhaben domestiziert man auch die Wutbürger. Der Planungsprozess dürfte somit beschleunigt und effizienter werden.
Viertens, eine umfassende Neuordnung deutscher Stadt- und Bundesländergrenzen ist überfällig. Womöglich ließe sich eine Neuordnung ebenfalls über Volksabstimmungen erreichen. Dank unserer Grundgesetzväter und -mütter und Artikel 20 GG wären Abstimmungen auch auf Bundesebene möglich.
Fünftens, die Lehre aus den Desastern bei den aktuellen Großprojekten kann nur lauten, die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft haben hierfür künftig zu haften – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wer dies unterläßt, braucht sich nicht wundern, wenn der Steuerzahler sich von den etablierten Parteien abwendet.
Zweifellos sind die Vorschläge radikal und für viele klingen sie utopisch. Doch die aktuelle Wohnungspolitik ist auf dem besten Weg, die bestehende Wohnungsnot zu verschärfen. Folglich werden die Hauspreise und Mieten und ebenso die Risiken für den Finanzsektor in den nächsten Jahren weiter steigen. Angesichts der damit auch einhergehenden Risiken für den Staatshaushalt ist eine Fortsetzung der jetzigen Wohnungspolitik nicht nur unvernünftig, sondern gefährlich.