Von der Stimme zur Wirkung
Inwieweit nehmen sich Kinder und Jugendliche in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld als teilnehmend und teilhabend wahr? Dieser Frage geht Peter Rieker in einer Studie im Auftrag von UNICEF Schweiz nach.
Die Resultate überraschen. So gaben fast 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, in ihrer Familie massgeblich mitwirken und mitgestalten zu können. Im Dialog mit den Kindern sein, Prozesse aushandeln, entscheiden, mittragen: Partizipation ist heute Familienalltag. Umso klarer tritt hervor, dass sich Mütter und Väter in einem Spannungsfeld wiederfinden: Autonomie und Gestaltungsraum für die Kinder einerseits, Erziehungsauftrag mit Entscheidungen und Diskussionspotenzial andererseits. Es wäre jedoch falsch, anzunehmen, Partizipation von Kindern und Jugendlichen sei eine Neuverteilung der Entscheidungs- und Machtkompetenz. Vielmehr geht es darum, die Ansichten, Gefühle und Ideen von Kindern einzubeziehen und dafür zu sorgen, dass sie eine urteilsfreie und respektvolle Resonanz finden bei Entscheidungen von Erwachsenen, die sie betreffen. Anders bei der Partizipation in Schule und Gemeinde: Kinder und Jugendliche verfügen über sehr feine Antennen, wenn es um partizipative Angebote geht. Spüren sie, dass diese nicht wirklich ernst gemeint sind und Veränderungen ermöglichen, decken sie schonungslos die «Spielwiesen« auf. Sie tun dies auf ihre ganz eigene Art: durch Mitmachen den Erwachsenen zuliebe, durch Boykott, durch eine feine Linie, die Nicht-Ernstnehmen widerspiegelt. Obwohl die Diskussion um Partizipation von Kindern und Jugendlichen einen erfreulichen Widerhall in Politik und Gesellschaft findet, tun wir gut daran, genau hinzuschauen und uns immer wieder zu fragen: Was brauchen die Kinder und Jugendlichen wirklich, damit sie sich als authentische Mitgestaltende, Teilnehmende und Teilhabende der gemeinsamen Welt erleben? Partizipation schafft Identifikation mit Raum und Zeit. Partizipation schafft Identität. Kindheit heisst auch, sich auf den Weg zu machen, in die Gesellschaft hineinzuwachsen und den eigenen Platz darin zu finden. Erwachsene sind dabei wichtige Begleiter. Kinder und Jugendliche wohlwollend zu unterstützen, sich um ihre Bedürfnisse, Ängste, Sorgen und Freuden zu kümmern und ihnen dabei das Gefühl zu vermitteln, dass sie Lebensgestaltende sind, ist unser aller Verantwortung: jene der Eltern, der Lehrpersonen, der Entscheidungsträger/-innen. Nur so kommen wir Artikel 12 der Kinderrechtskonvention nach und füllen ihn mit Leben.
Mehr dazu in der Studie: https://www.unicef.ch/sites/default/files/2018-08/studie_von-der-stimme-zur-wirkung_de.pdf