Medienschelte für Wuppertaler Bürgerbeteiligung
Lothar Leuschen von der Westdeutschen Zeitung lässt kein gutes Haar am Leitlinienprozess in Wuppertal: „Das Projekt Bürgerbeteiligung unter der Regie des einzigen eigens dafür gewählten Dezernenten Deutschlands ist gescheitert, noch ehe es zu Ende entwickelt wurde.“
Wuppertal. Gut gedacht, schlecht gemacht und obendrein überhaupt nicht nötig. Das Projekt Bürgerbeteiligung unter der Regie des einzigen eigens dafür gewählten Dezernenten Deutschlands ist gescheitert, noch ehe es zu Ende entwickelt wurde. Die Ursachen sind vielfältig.
Nun stellt sich als zu parteitaktisch gedacht heraus, dass die SPD vor der Kommunalwahl 2014 vollmundig verkündete, Bürgerbeteiligung institutionalisieren zu wollen. Die Gründe dafür lagen auf der Hand. Einerseits wollte die SPD jenen den Wind aus den Segeln nehmen, die ihr in der Großen Kooperation mit der CDU im Stadtrat Hinterzimmerpolitik vorwarfen. Andererseits wollten die Sozialdemokraten den Grünen signalisieren, nach der Wahl an einer Zusammenarbeit mit ihnen interessiert zu sein. Zur Kooperation kam es nicht, weil das Wahlergebnis keine stabile rot-grüne Mehrheit hergab. Die Taktik von SPD-Chef Dietmar Bell, 14 Tage vor der Wahl auf die Grünen zu setzen, lief ins Leere und brachte Bell in seiner Partei in Not.
Doch der Dezernent für Bürgerbeteiligung stand im Programm der SPD, also wurde er – mit Hilfe der CDU – gewählt.
Dass die Wahl angesichts der Aufgabe auf den Wirtschaftsanwalt Panagiotis Paschalis (53, SPD) fiel, verwundert immer noch. Der Jurist hat keinerlei Erfahrung mit dem Thema. Dass Paschalis auch für das Rechtsamt und die Beteiligungen der Stadt an Tochtergesellschaften zuständig ist, mag seine Wahl erklären. Dem populären Thema „Mitwirkung der Bürger an Entscheidungen des Rates“ ist es nicht zuträglich.
Von Anfang an auf dem falschen Gleis, hat Paschalis den Zug dann weiter in die verkehrte Richtung beschleunigt. An einer verkopften Diskussion über Beteiligungsverfahren haben sich zwar gut 100 Wuppertaler beteiligt. Aber dabei handelte es sich überwiegend um Fachleute, die sich beispielsweise seit Jahr und Tag mit dem Projekt Bürgerhaushalt beschäftigen. Sie sind Experten für Beteiligung auf allerhöchstem Niveau.
Dass diesem anstrengenden Anspruch die überwiegende Mehrheit der Wuppertaler nicht folgen will, hat zuletzt die Online-Befragung gezeigt. Bei mehr als 350 000 Einwohnern wurden kaum 300 Kommentare und Fragen zum Thema eingereicht. Das ist eine Beteiligung von weniger als einem Promille. Die Zahl der Fragenden ist dabei noch deutlich geringer, weil einige Experten gleich mehrere Hinweise abgaben. Dass obendrein die Technik versagte und es dadurch nicht mit jedem Browser oder jeder Version eines Browsers möglich war, im Internet auf die entsprechende Seite zu kommen, zeigt, wie wenig ernsthaft das Thema von der Stadtverwaltung verfolgt wird. Während immer ungewiss ist, wie viele Menschen mitmachen, ist die Technik üblicherweise kontrollier- und beherrschbar. Dem Dezernat für Bürgerbeteiligung gelingt aber auch das nicht.
All das geschieht, während vielen Wuppertalern wichtige Fragen auf den Nägeln brennen. Was ist mit der Forensik? Was ist mit der Seilbahn? Was ist mit dem Asphaltmischwerk in Vohwinkel? Während Paschalis und ein paar Fachleute Beteiligungsmethoden debattieren, wird anderswo vielleicht über die Lebensqualität von Anwohnern entschieden, ohne diese Anwohner an der Entscheidungsfindung zu beteiligen.
Gleichzeitig steigt die Zahl jener stetig, die sich von kommunalpolitischen Prozessen abkoppeln. 2014 gab es in Wuppertal Stadtbezirke mit Wahlbeteiligungen von gerade noch 20 Prozent. Möglichst die 80 Prozent zu interessieren, die sich bereits abgewendet haben, ist auch eine Aufgabe von Bürgerbeteiligung. Mit seiner Vorliebe für akademische Antworten auf einfache Fragen wird Panagiotis Paschalis dieser Aufgabe nicht gerecht. Seine Bürgerbeteiligung beteiligt Bürger nicht. Das Ergebnis ist viel Lärm um nichts und viel Geld für nichts.
Quelle: http://www.wz.de/lokales/wuppertal/diese-buergerbeteiligung-beteiligt-die-buerger-nicht-1.2210746