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FindingPlaces.hamburg: Standortsuche für Flüchtlingsunterkünfte

In Hamburg waren die Bürger eingeladen, sich an der Suche nach Standorten für Flüchtlingsunterkünfte zu beteiligen.

„FindingPlaces.hamburg“ wurde entwickelt in den City Science Labs der HafenCity Universität gemeinsam mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) und war ein Kooperationsprojekt mit der Stadt Hamburg. Es kostete 500.000 Euro.

Die Bürger waren eingeladen, mit Hilfe eines interaktiven Stadtmodells aktiv an der Flächensuche ­für Flüchtlingsunterkünfte teilzunehmen. Gesucht wurden städtische Flächen ab 1.500m², für die zügig mit der Bauvorbereitung von Flüchtlingsunterkünften begonnen werden kann, die für eine Dauer von mindestens drei bis fünf Jahren errichtet werden.

Verfahren

Die Suche erfolgt in 34 Workshops direkt am Stadtmodell – sogenannten CityScopes. Dort wurden Karten der Hamburger Bezirke auf zwei jeweils zwei mal zwei Meter große interaktive Plexiglastische projiziert, die codiert und mit Webcams und Projektoren ausgestattet waren. Die Teilnehmer konnten Legosteine auf die Karte setzen –  dort, wo sie meinten, eine für die Bebauung geeignete Fläche zu kennen. Auf einem Bildschirm erschienen daraufhin Informationen über die jeweilige Fläche: Größe, Art der bisherigen Nutzung und eventuelle Bebauungshindernisse, wie seltene Tierarten oder Pflanzen. Datengrundlage war das durch das Hamburger Transparenzgesetz offen gelegte behördliche Wissen in Archiven, Dokumenten und Dateien. Die Teilnehmer sollten auf Basis der Daten diskutieren, abwägen und sich einigen, welche Flächen infrage kämen und welche nicht.

Ein Gremium aus Zentraler Koordinierungsstab Flüchtlinge (ZKF), Bezirksämtern, Fachbehörden, „f & w fördern und wohnen“ und Finanzbehörde hatte versprochen, die gefundenen Flächen auf die tatsächliche Eignung zu prüfen und das Prüfergebnis innerhalb von 14 Tagen zu veröffentlichen.

Ergebnisse

Insgesamt nahmen ca. 400 Bürger an den Workshops teil, wobei die Beteiligung unterschiedlich war: während sich 117 Menschen für die Flächen in Altona interessierten, kamen zum Bergedorf-Workshop nur 13. Laut Gesa Ziemer, Vizepräsidentin Forschung und Direktorin des CityScienceLabs an der HCU Hamburg, beteiligten sich die Mitglieder der Bürgerinitiativen aus den Bezirken, die vehement gegen frühere Verwaltungsvorschläge gestritten hatten, nur „mittelmäßig“ an dem Prozess, obwohl man pro Workshop immer zwei Plätze freigehalten hatte.

Auf insgesamt 161 Flächen konnten sich die TeilnehmerInnen der Workshops einigen. 44 davon kamen nach der Prüfung in die engere Auswahl.

Sechs Flächen mit etwa 750 Plätzen wurden für die Bebauung mit Flüchtlingsunterkünften als geeignet eingestuft, 12 weitere Flächen sind noch im Gespräch. Die sechs, die aller Voraussicht nach bebaut werden, sind: Moorkamp in Eimsbüttel, 48 Plätze, zwischen Mergellstraße und Gölbachtal in Harburg, 120 Plätze, Seelemannpark / Heilwigstraße in Harburg, 90 Plätze, Hermann-Buck-Weg in Wandsbek, 120 Plätze, Eulenkrugstraße / Am Heidrehmen, auch in Wandsbek, 118 Plätze, Rönneburger Stieg im Bezirk Nord, 260 Plätze.

Während die für Altona und Mitte vorgeschlagenen Flächen der Prüfungen durch die Verwaltung nicht standhielten, konnten sich die TeilnehmerInnen des Bergedorf-Workshops gar nicht auf eine Fläche einigen.

Einschätzung

Rolf Lührs von DEMOS Gesellschaft für E-Partizipation mbH lobt das Verfahren: „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich der Hamburger Senat und der Erste Bürgermeister als dialogbereit und -fähig präsentiert haben und in Sachen Bürgerbeteiligung und -zusammenarbeit neue Wege beschritten worden sind. Innovativ sind nicht so sehr die einzelnen Elemente von Finding Places, sondern die Art und Weise, wie sie am Beispiel eines aktuellen Themas und in Kooperation mit den politischen Entscheidungsträgern in der Praxis umgesetzt worden sind.“

Gesa Ziemer, Vizepräsidentin Forschung und Direktorin des CityScienceLabs an der HCU Hamburg, sah „eher eine Zusammenarbeit als nur eine Beteiligung“.

Anselm Sprandel, der Chef des Koordinierungsstabs Flüchtlinge (ZKF), war„beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und der Detailtiefe der Diskussionen mit den Bürgerinnen und Bürgern“. Er fand bemerkenswert, wie wenig Hemmungen viele Anwohner hatten, Flüchtlinge in Grünflächen und Parks in ihrem Viertel unterzubringen. „Das hatten wir so nicht erwartet“, sagt Sprandel, dessen Koordinierungsstab bisher tunlichst vermeidet, diese Flächen zu belegen.

Martin Brinkmann, Geschäftsführer der steg Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg mbH, stellte fest: „Seit etwa 30 Jahren beschäftige ich mich beruflich mit Bürgerbeteiligungsprozessen. Ein derart transparentes und ergebnisoffenes Projekt habe ich in dieser Zeit noch nicht erlebt.“

Peter Ulrich Meyer vom Hamburger Abendblatt sieht dagegen eher magere Ergebnisse: „Die Erfahrung von „Finding Places“ zeigt zweierlei: Effektiv kann ein solches Instrument nur dann sein, wenn es noch nicht zu konfliktreichen Polarisierungen gekommen ist. Die Voraussetzung ist eine sachliche und möglichst emotionsfreie Diskussion. Und niemand darf erwarten, dass der Computer „objektive“ Ergebnisse ausspuckt, wenn man ihn nur richtig füttert. Am Ende sind es Menschen, die entscheiden müssen – in Abwägung der unterschiedlichen Interessen.“

Quellen: